Vor genau vier Monaten und zwei Wochen stand ich genau hier, am Flughafen von Quito. Nur heute stehe ich an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben. Ich stehe ganz anders auf meinen Beinen und zu mir selbst. Bodenständiger und um einiges selbstbewusster. Dies verdanke ich unter anderem dem kleinen, aber feinen Projekt Minadores de Sueños, dass doch so grosses in mir ausgelöst und bewirkt hat.
Es gab so viele herrliche Momente. Ich durfte so viele schöne Menschen kennen lernen, in so viele leuchtende Kinderaugen blicken, mein Herz und meine Augen öffnen lassen. Nun gehe ich mit einem Rucksäckli voller Erinnerungen und lehrreichen Lektionen nach Hause und blicke mit einem stolzen Lächeln auf die gemachten Erfahrungen zurück. Es war mir eine Freude und ein wahnsinniges Privileg, Ecuador und die Fundacíon mit all seinen Facetten kennen zu lernen.
In den ersten drei Wochen lebte ich im Norden der Hauptstadt Quito, um mir eine gewisse Basis der spanischen Sprache anzueignen. Ich hatte unter der Woche jeden Morgen vier Stunden intensiv Privatunterricht. Ich war extrem gefordert, manchmal von der Informationenflut auch überfordert, aber es hat sich gelohnt. Es ist erstaunlich, wie viel hängen bleibt und wie viel man in so einer kurzen Zeit lernen kann.
Nach diesen drei Wochen war es mir bereits möglich die Educadoras/Lehrerinnen in der Fundacíon bei der Hausaufgabenhilfe der Kinder zu unterstützen. Eine besonders schöne Erfahrung war auch, dass ich die Gelegenheit bekam, selbst einen kleinen Lettering Workshop leiten zu dürfen, den die Kinder mit grossem Eifer und Elan absolvierten.
An meinem ersten Tag wurde ich so herzlich in Empfang genommen, so etwas hab ich in meinem Leben noch nie erlebt. Die Umarmungen, Blumensträusschen und «Liebesbriefchen» der Kinder häuften sich im Laufe der Wochen immer mehr und mein Herz drohte zu platzen. Es war so schön mit anzusehen mit wie viel Respekt man sich gegenseitig begegnete. Wie sie strahlten und in der Pause eifrig UNO oder Fussball spielten. Sie kamen gerne in die Fundacíon und leuchtende Augen und strahlende Gesichter waren an der Tagesordnung. Die Kinder waren so glücklich und schienen so unbeschwert, dass man schnell mal die Schattenseiten vergass. Auch, weil man den Kindern ihre schwierigen und komplexen familiären Verhältnisse nicht direkt ansah. Als sich jedoch die politische Situation im Juni zuspitzte und es zu heftigen Demonstrationen, Schulausfällen, gesperrten Strassen und somit auch zu Nahrungsmittelknappheit kam, machte sich dies auch in den Bäuchen der Kindern bemerkbar. So kam es vor, dass einige Kinder mit hungrigen Mägen in die Fundi kamen und sie, dass von mir verteilte Znüni oder Zmittag, in einer Windeseile runterschlangen.
Auch wenn die Schulen aufgrund der Demonstrationen geschlossen wurden, blieb die Fundacíon offen. Die Kinder kamen zwar mit immer weniger Hausaufgaben zu uns, doch dies bot uns Raum und Zeit, um noch gewisse Themen zu repetieren, auszubauen und zu festigen. Auch packten wir die Gelegenheit am Schopf und nutzten einen sonnigen Montagmorgen für einen ausgiebigen Spaziergang mit anschliessendem Picknick.
Im Juli kamen die Schulferien und auch die Demonstrationen fanden ein Ende. So konnte ich wieder etwas unternehmen und verbrachte meine Ferien damit, Ecuador noch ein bisschen besser kennenzulernen. Ich versuchte mich am Surfen in Puerto Engabao, machte Yoga mit Blick aufs Meer, beobachte Wale in Puerto Lopez und wanderte alleine von Sigchos bis nach Chugchilan. In diesen drei Wochen habe ich nochmals eine rechte Entwicklung durchgemacht. Dadurch, dass ich oft alleine unterwegs war, mich selbst organisiert habe und eine Menge Bus gefahren bin, habe ich nochmals viel über mich gelernt und einiges an Selbstständigkeit und Selbstvertrauen gewonnen.
Nach meinen Ferien startete die Organisationsarbeit für das Sommerferienprogramm von rund 160 Kindern. Die Arbeitsdynamik veränderte sich, da ich jetzt in den Kontakt mit ganz vielen einheimischen Jugendlichen kam, die als Freiwillige mitwirkten. Ich tat mich mit einem Mädchen zusammen und gemeinsam realisierten wir einen Bastelworkshop. Jeden Tag wechselten wir die Gruppe und arbeiteten mit Kindern im Alter zwischen 6 und 10 Jahren zusammen. Leider konnte ich aufgrund meines Fliegers schlussendlich nur eine Woche beim Tageslager mitmachen. Umso mehr war es ein erfrischender und zuckersüsser Abschluss meiner Ecuador-Erfahrung.
Michèle Schuler